Predigt zu Apostelgeschichte 16, 9-15 von Hans-Georg Ahl

16.11.2017, 07:36

Predigt Apg 16,9-15

 

Dort hatte Paulus in der Nacht eine Vision. Er sah einen Mazedonier ´vor sich` stehen, der ihn bat: »Komm nach Mazedonien herüber und hilf uns!« 10 Daraufhin suchten wir1 unverzüglich nach einer Gelegenheit zur Überfahrt nach Mazedonien; denn wir waren überzeugt, dass Gott selbst uns ´durch diese Vision` dazu aufgerufen hatte, den Menschen dort das Evangelium zu bringen.

11 Nachdem unser Schiff von Troas ausgelaufen war, fuhren wir auf direktem Weg zur Insel Samothrake. Am folgenden Tag kamen wir nach Neapolis, 12 und von dort ging die Reise ´landeinwärts` nach Philippi. Philippi, eine ´römische` Kolonie, war die bedeutendste Stadt in diesem Teil der Provinz Mazedonien. Hier blieben wir einige Tage 13 ´und warteten, bis es Sabbat war`. Am Sabbat gingen wir vor das Stadttor an den Fluss, wo wir eine jüdische Gebetsstätte vermuteten und dann auch tatsächlich einige Frauen antrafen, die sich dort versammelt hatten. Wir setzten uns zu ihnen und begannen mit ihnen zu reden.  14 Eine dieser Frauen – sie hieß Lydia – war eine Purpurhändlerin aus Thyatira, die an den Gott Israels glaubte. Während sie uns zuhörte, öffnete ihr der Herr das Herz, so dass sie das, was Paulus sagte, bereitwillig aufnahm. 15 Nachdem sie sich dann mit allen, die in ihrem Haus lebten, hatte taufen lassen, lud sie uns zu sich ein. »Wenn ihr überzeugt seid, dass ich ´jetzt eine Christin bin und` an den Herrn glaube«, sagte sie, »dann kommt in mein Haus und seid meine Gäste!« Sie drängte uns ´so, dass wir einwilligten`.

Liebe Gemeinde,

 

Winterschlussverkauf im Modehaus Lydia -  das könnte vor 1950 Jahren am Schaufenster ihrer Boutique gestanden haben. Wir wollen uns heute Morgen damit beschäftigen, wie es damals dazu kam und wie es heute noch dazu kommen kann, dass Leute ihren Laden dicht machen und die Türen und Fenster ihres Lebens für etwas bzw. jemand anderen öffnen. Und zwar hat das ganze eine Vorgeschichte, eine Geschichte und eine Nachgeschichte.

  1. Die Vorgeschichte – ein Traum und seine Folgen

Dass nicht jeder Traum, den wir träumen, von Gott ist, ist uns allen klar. Ich weiß, dass wir Menschen sehr unterschiedlich Träume präsent haben und uns an sie erinnern können. So viel ich weiß sind uns nur etwa 20% dessen, was wir in unserem Gehirn und in unserer Seele gespeichert haben, bewusst – aber natürlich haben die anderen 80 %, die eben unter und hinter unserem Bewusstsein liegen, erheblichen Einfluss auf unsere Gedanken und Gefühle, auf unsere Entscheidungen und Vermeidungen.

Dass Paulus und seine Gefährten auf ihrer Missionsreise bei diesem Traum sofort wussten, dass, wie es wörtlich heißt, Gott sie etwas (nein, eben nicht etwas, sondern einen Menschen!) sehen ließ, hat folgende Gründe:

-       Sie hatten es die ganze Zeit erlebt, dass Gott sie auf ihrer Reise geführt hatte

-       Gott hatte ihnen vorher einige Türen geschlossen

-       An Mazedonien hatten sie bestimmt auch schon gedacht, sie wollten aber diesen Schritt in einen anderen Kontinent und Kulturkreis nicht ohne ausdrücklichen Auftrag Gottes tun

-       Hauptgrund: Sie waren auf Missionsreise, sie waren Jesu Auftrag gehorsam.

Wenn ich das jetzt mal in unsre Situation übertrage, heißt das doch, dass wir uns keine großen Gedanken um unsere Vision – denn genau das ist ja das, was Paulus hier hatte, machen müssen, wenn wir Gottes Auftrag und den Missionsbefehl Jesu ernst nehmen. Dann sorgt Gott schon dafür, dass zur richtigen Zeit die richtigen Leute auftauchen und wir brauchen auch keine Erscheinung mit Leuten in mazedonischer Kleidung sondern stellen sie sich doch jetzt mal den Menschen vor, lassen sie ihn vor ihrem geistigen Auge auftauchen, von dem sie sich am meisten wünschen, dass er Christ wird – und wie ist er angezogen? Ganz normal, oder pikfein, oder ein wenig abgerissen – egal. Eine Gemeinde, die ihrem Auftrag nachkommt, wird Wege zu den Menschen suchen und finden.

Wichtig finde ich an dieser Geschichte aber auch noch das Wechselspiel von Einzahl und Mehrzahl. Denn es ist eben nicht so, dass einer, Paulus, der große Macker ist, der nachts alle weckt und sagt: „Leute, packt den Seesack, ich hatte eine tolle Vision“ sondern gemeinsam wissen sie und entscheiden sie, dass Gott sie diesen Mann hat sehen lassen. Und deshalb überdauert diese göttliche Vision dann auch die erste Enttäuschung als dann nur ein paar Frauen am Fluss am Sabbat in Philippi zusammenkommen. (Axel Wendt)  

  1. Die Geschichte – offen für Gottes Reden

Eben weil Paulus und seine Gefährten in Gottes Auftrag unterwegs sind, können sie mit dieser Situation umgehen: Sabbat ist Werktag, keine Synagoge, keine Männer (das sage ich nicht nur deshalb so, weil es einfach besser klingt als „nur Frauen“, sondern für einen gültigen jüdischen Gottesdienst ist die Gegenwart von 10 Männern unabdingbar). Weil sie wissen, dass Gott etwas vor hat, haben sie die Zeit und nehmen sie sich die Zeit, setzen sich, halten eben keine Predigt sondern reden und hören zu – es entsteht eine sehr kommunikative Atmosphäre...

An dieser Stelle müssen wir uns mit der Person der Lydia etwas genauer beschäftigen, uns also aus dem, was hier über sie gesagt wird, ein Profil ihrer Person erarbeiten.

-       sie war gottesfürchtig – ein Wort mit dem bezeichnet wird, dass ein Mensch aus heidnischem Hintergrund sich dem jüdischen Glauben angeschlossen hatte. Wobei hier zunächst völlig offen bleibt, wie es in ihrem Leben dazu gekommen war...

-       sie war eine Unternehmerin, also ein Mensch, der es zumal als Frau geschafft hatte, sich etwas aufzubauen. Sie stammte aus der Hochburg der Purpurfärberei und verkaufte das Endprodukt. Sie war also Arbeitgeberin, Chefin und zugleich gottesfürchtig – toll!

-       Sie war selber „fremd“, also keine eingeborene Griechin, sondern zugereist, wusste, wie es ist, wenn man keinen Menschen kennt und sich in einer fremden Kultur zu Recht finden muss.

-       Und genau vielleicht deshalb war sie eine gute Zuhörerin. Eben weil sie sich als Geschäftsfrau im fremden Land zurechtfinden musste.

Dies alles ist schon ziemlich gut, aber das entscheidende fehlt noch und dem wollen wir uns jetzt zuwenden. Wie kommt es nun, dass sie Christ wird? Und das ist eine wunderbare Mischung aus dem, was Gott tut, und dem was sie selbst tut.

Fangen wir mit dem an, was Gott tut.

„Der tat der Herr das Herz auf“ -  das ist etwas, was keiner von uns bei sich selber oder jemand anderem kann. Wir können eine offene Atmosphäre schaffen, wir können auf Ereignisse im Leben von Menschen achten, die sie öffnen, aber das Herz auftun können wir bei niemandem...Und das ist auch gut so! Allerdings sollten wir davon ausgehen, dass Gott das bei vielen, ja bei jedem tun will...

Was sie selbst tut ist dann zunächst das ganz genaue Zuhören, das griechische Wort stammt aus der Seemannssprache und bezeichnet das genaue Beachten der Wolken und des Windes...Und dann natürlich ist auch die Taufe dann etwas was sie tut, bzw. eben nicht selber tut sondern an sich geschehen lässt. Das, was einem bei einem Willow-Creek-Kongreß am tiefsten berührt und das Wasser in die Augen treibt sind die Taufvideos...

Und sie nimmt Paulus und die anderen bei sich auf und so entsteht die Hausgemeinde in Philippi....   

  1. Die Nachgeschichte – Ausverkauf im Astrologie Center und im Knast

Die Nachgeschichte zeigt die Auswirkungen, die das Evangelium, das Entstehen einer Gemeinde in einem Ort haben kann.

Zunächst ist das gut gehende Geschäft der Besitzer einer Sklavin betroffen, die Horoskope oder irgendwelche andere Zukunftsvorhersagen erstellt. Sie macht unaufgefordert Werbung für Paulus indem sie lautstark immer wieder bekräftigt, dass Paulus die Wahrheit sagt und Gottes Diener ist. Damit nervt sie Paulus so sehr (nicht jede Publicity ist gute Publicity!), dass er ihren Wahrsagegeist austreibt. Die Besitzer werden sauer über diese Zwangsgeschäftsauflösung und lassen Paulus und Silas in den Knast werfen. Und dort ereignet sich der nächste Ausverkauf. Denn um Mitternacht befreit ein Erdbeben alle Gefangenen. Paulus kann den Gefängnisdirektor nur mit Mühe vom Selbstmord abhalten, da er denkt sein Leben durch diesen Räumungsverkauf sowieso verwirkt zu haben. Da Paulus alle anderen Gefangenen auch zum Bleiben überredet hat, ist der Gefängnischef so begeistert, dass er auf der Stelle Christ wird.

Sie merken, etwas anders als bei Lydia, aber so ist es eben, und deshalb erzähle ich diese Nachgeschichte, wenn Gott Türen öffnet, dann kommen ganz unterschiedliche Menschen auf unterschiedliche Art und Weise zum Glauben und es entsteht etwas was es sonst niemals auf dieser Welt wieder so gibt: eine Gemeinde, die aus Menschen besteht, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, denken sie nur an Lydia und den Gefängnisboss. Jedem von ihnen hat Gott auf eine andere Art und Weise die Tür und das Herz geöffnet und deshalb wird diese Gemeinde auch immer offene Türen für andere Menschen haben.

Was hat nun diese Geschichte aus der Anfangszeit der Gemeinde Jesu für unsere Gemeinde heute zu sagen? Ich kann es nur für mich persönlich sagen und Sie/Euch einladen mit zu denken und mit zu gehen:

  1. Ich möchte mir von Gott die Augen öffnen lassen, zu welchen Menschen er mich und unsere Gemeinde führen möchte und mich dann gemeinsam mit anderen auf den Weg machen und nicht entmutigen lassen, wenn es dabei langsam und nach außen hin nicht sehr erfolgreich vorwärts geht.
  2. Ich möchte davon ausgehen, dass Gott auch heute noch Menschen das Herz öffnet und sie genau acht haben auf das was ich und andere sagen. Es nimmt mir und allen, die das Evangelium bezeugen unendlich viel Druck, wenn wir respektieren, dass dies allein Gottes Sache ist, wann und wie er Menschen das Herz öffnet. Nach meiner Beobachtung geschieht es oft ganz still und unspektakulär, manchmal über einen sehr langen Zeitraum (wer weiß wie lange Lydia schon auf der Suche war) aber immer ist es so, dass Gott das entscheidende tut.
  3. Ich möchte mit euch gemeinsam sehr genau überlegen, welche Konsequenzen die Hinwendung zu Jesus für einzelne Menschen und uns als Gemeinde hat.

-       Wenn wir keine oder wenige Erwachsenentaufen haben, wo ist dann der Ort, wo Menschen erzählen können, was mit ihrem Leben ohne Jesus los war und was sich jetzt verändert hat?

-       Wo geraten wir mit materiellen und politischen Interessen als Gemeinde in Konflikt? Welche Auswirkungen hat der Glaube an Jesus in einer Welt in der das oberste Gesetz ist, dass der Rubel rollt?

-       Wo lässt unser Lobgesang die Wände wackeln? Wo gehen wir so gewiss unseren Weg als Gemeinde, dass sich uns  Menschen wie der Gefängniswärter anschließen, der höchstwahrscheinlich nicht wie Lydia schon von langer Hand von Gott vorbereitet für das Evangelium war?

Ich freu mich und finde es spannend, dass diese Fragen vielen von uns wichtig sind und wir als Gemeinde auf dem Weg sind.    

 


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